Demokratiepädagogik und Projektlernen

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Anregungen für Gespräche mit Schülerinnen und Schülern zur Lage in Israel und Gaza

Bild Israel-Newsletter
© colourbox.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir verurteilen den Terrorangriff auf Israel durch die Hamas aufs Schärfste.

Die aktuelle kriegerische Gewalteskalation beschäftigt uns und macht alle, selbstverständlich auch unsere Schülerinnen und Schüler, betroffen und unsicher. Der sogenannte Nahost-Konflikt als schon immer herausforderndes Thema und die gegenwärtigen Ereignisse sind sicher Teil der Gespräche in der Schulgemeinschaft. Einmal mehr gilt es jetzt, im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern zu sein. Denn dieser Konflikt bringt es mit sich, dass unterschiedliche Formen der Betroffenheit und der emotionalen Involviertheit zum Tragen kommen. Schüler und Schülerinnen multiperspektivisch zu verstehen heißt jedoch nicht, Denkweisen oder sogar Taten zu rechtfertigen. Es gilt jetzt, sowohl Raum für Gespräche anzubieten, um den Jugendlichen beim Verstehen zu helfen, als auch bei Grenzüberschreitungen einzuschreiten. Antisemitische Vorfälle müssen unbedingt ernst genommen und konsequent bearbeitet werden. Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang unsere aktuellen Veranstaltungen, die Sie im Menü unten an zweiter Stelle finden.

Wir möchten Ihnen im Folgenden einige Anregungen und Reflexionen zu den Gesprächen mit Ihren Lerngruppen anbieten. Wir haben sie gegliedert in folgende Aspekte:

  • Pädagogische Herausforderungen und Tipps
  • Veranstaltungen
  • Den Krieg besprechen
  • Zum „Nahostkonflikt“
  • Antisemitismus
  • Antimuslimischer Rassismus / Muslimfeindlichkeit
  • Geschichte: Hintergründe
  • Vermittlung von Gesprächen
  • Aus der Praxis
  • Unterstützung bei Sorge um Radikalisierung

Bitte geben Sie diese Informationen in Ihrem Kollegium weiter, machen Sie die Situation präventiv zum Thema in der Schule, wir alle sind dazu gefragt.

Für das Team Demokratie und Politik
Christoph Berens, Christina Bues, Johanna Jöhnck, Ramses Oueslati, Mara Sommerhoff


Informationen

Pädagogische Herausforderungen und Tipps für aktuelle Stunden

Konflikte und kriegerische Auseinandersetzungen werden von einer Sprache begleitet, die häufig dualistisch ist sowie religiöse und politische Identitäten vermischt. Gespräche über diese Konflikte sind entsprechend immer gefährdet, zu pauschalisieren und die für jede Deeskalation und spätere Lösung wichtigen Differenzierungen nicht wahrzunehmen. Schülerinnen und Schüler, die sich mit der Situation in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten beschäftigen, tun das zumeist in einem Diskurs, der solche Dualismen seit vielen Jahrzehnten pflegt und dessen Extrempunkte Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus heißen.

Für uns als Pädagoginnen und Pädagogen gilt jedoch: Wir müssen nach außen radikal wirkende existenzielle Suchbewegungen junger Menschen nach „letzten Wahrheiten“ und einem „Welterklärungsmechanismus“ (Hermann Giesecke) zulassen und produktiv weiterentwickeln können. Das heißt in der aktuellen Situation konkret: Hören Sie zu. Zeigen Sie eine erkennbare Haltung, die sich an den Menschenrechten orientiert, und seien Sie darin (auch sprachlich) ein Vorbild.

Das erfordert, auf Provokationen nicht gleich durch emotionalisierte Reaktionen zu antworten und Kritik dadurch im Ansatz unhörbar zu machen. „Pädagogische Diskursräume müssen für den grundsätzlichen Widerstreit offen bleiben.“ Immer. „Herausfordernde gesellschaftlich-politische Lernprozesse werden deshalb immer wieder in riskante und öffentlich anfechtbare Grenzsituationen führen – und das ist auch gut so.“ (Tilman Grammes, in: „Positioniert euch! Was politische Bildung darf“, LI Hamburg, 2020)

Wir möchten Sie ermutigen, Gespräche zu führen und die Komplexität der Fragestellungen mit Ihren Schülerinnen und Schülern gemeinsam zu betrachten. Es sind hier Aspekte von Politik, Geschichte, Religion, Menschen- und Grundrechten wie Menschenwürde, Meinungsfreiheit, aber auch Fragen um Diskriminierung und Integration miteinander verwoben. 

Vielleicht fragen Ihre Schülerinnen und Schüler Sie direkt nach der Lage in Israel, vielleicht finden subtile oder offene Solidaritätsbekundungen mit einer der Konfliktgruppen statt, vielleicht gibt es auch an Ihrer Schule oder im privaten Umfeld der Schülerinnen und Schüler Vorfälle oder Konflikte. Unser Rat ist: Sprechen Sie das Thema auf jeden Fall an und nicht erst, wenn es Vorfälle gibt. Bieten Sie Zeit und Raum für Fragen und das gemeinsame Nachdenken. Das offene Gespräch lohnt sich.

Gleichzeitig ist es unabdingbar, klar und deutlich gegen Antisemitismus in jeder Form vorzugehen und jüdische Schülerinnen, Schüler, Kolleginnen und Kollegen zu schützen. Wenn Äußerungen auf dem Schulhof, im Klassenzimmer oder gegenüber Betroffenen fallen, die die Menschenwürde verletzen oder menschenrechtsfeindlich sind, gilt es die bekannten pädagogischen und rechtlichen Maßnahmen anzuwenden (Klassenkonferenz, Elterngespräche, Schulverweis etc.). Bei der Abwägung, welche Maßnahmen zu wählen sind und wie sie pädagogisch zu begleiten sind, unterstützen wir Sie gerne!

Gerade in Krisen- und Kriegszeiten wird auch interessengeleitete Informationspolitik deutlich​​​​​. ​Zudem beziehen viele Jugendliche ihre Informationen von Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram. Die Kommentarspalten sind voller widerstreitender Informationen, Provokationen und schnellen Urteilen. Nehmen Sie dies zur Kenntnis. Besprechen Sie den Zweck von gewaltvollen Darstellungen, den die Produzenten solcher Videos verfolgen. Hierbei gilt es auch, nicht den Terror oder die gravierenden Menschenrechtsverletzungen zu verharmlosen.

Ein Augenmerk möchten wir auf Schülerinnen und Schüler richten, die aufgrund ihrer familiären Herkunft und Migrationsgeschichte besonders emotional nah am Thema sind – und das schließt alle Positionen ein. Bedenken Sie in den Gesprächen, dass „Palästinenser“ und „Israeli“ nationale Identitäten sind, die nicht zwangsläufig auch einer Religionszugehörigkeit entsprechen. Daran muss immer wieder erinnert werden, denn es gilt zu verhindern, dass Jüdinnen und Juden bzw. Muslima und Muslime stellvertretend für politische Entscheidungen verantwortlich gemacht werden. Helfen Sie Jugendlichen vor allem dann, wenn Sie den Eindruck haben, diese müssten sich aufgrund von Peer-Druck oder familiärem Zusammenhalt für „eine Seite“ entscheiden. Fordern Sie bitte auch selbst niemanden aufgrund seiner (vermeintlichen) Zugehörigkeit auf, sich zu positionieren. Gleichzeitig gilt: Wer sich für eine friedliche Lösung für alle einsetzt, darf sich auch mit einer einzelnen Konfliktpartei solidarisch(er) zeigen! Nutzen Sie auch Einzelgespräche nach der Stunde, in denen Sie die pädagogische Beziehung suchen, nehmen Sie dadurch den Peer-Druck und seien Sie gleichzeitig Vorbild mit ernst gemeintem Interesse. 

Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, dass Äußerungen von Jugendlichen nicht immer differenziert sind und oft impulsiv vorgetragen werden. Vieles ist deshalb nicht immer inhaltlich detailliert unterfüttert, sodass Nachfragen wie „Was meinst du damit?“, „Hast du ein Beispiel?“ oder „Kannst das genauer machen/konkretisieren?“ schnell die (sprachliche und inhaltliche) Not der Schülerin / des Schülers und die fachliche Überlegenheit als Lehrkraft zeigen. Bleiben Sie hier offen für diese Not, halten Sie dies aus, statt zu belehren. 

Sie als Lehrkraft repräsentieren unser menschenrechtsbasiertes Grundgesetz und stehen für diese Werte ein. Fehlende Empathie mit den Opfern der Gewalt, Verherrlichung des Terrors oder Gefühllosigkeit gegenüber den Zurschaustellungen von Opfern in sozialen Medien stehen im krassen Gegensatz zu diesen Werten. Weisen Sie darauf hin. Stehen Sie für diese Werte ein, z. B. indem Sie sich auf das humanitäre Völkerrecht beziehen und die damit einhergehende Selbstverpflichtung von Konflikt- und Kriegsparteien. Achten Sie aber auch darauf, dass Ohnmachtsgefühle oder die Wahrnehmung, bestimmte Opfergruppen wären in der Vergangenheit weniger wichtig genommen worden, ihren Platz im Klassenraum haben, z. B. indem Sie gemeinsam überlegen wie der zivilen Opfer gedacht werden kann oder wie man überhaupt Solidarität mit der Zivilbevölkerung zeigen kann.

Bedenken Sie bitte: Kritik an der (aktuellen) Politik eines demokratischen Landes ist legitim, auch in Zeiten schwerster Krisen. Das gilt auch für die kritische Auseinandersetzung mit der politischen Lage in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten – auch dann, wenn Äußerungen antizionistisch sind. Aber: Das Existenzrecht des Staates Israel ist nicht infrage zu stellen! Greifen Sie klar ein, wenn es zu Dämonisierungen der israelischen Politik kommt. Fordern Sie immer wieder dazu auf, multiperspektivisch zu sein und einfache Stereotype zu hinterfragen. Wir möchten an dieser Stelle auf ein Gespräch zwischen Hédi Bouden und Ruben Herzberg hinweisen, das am 1. November 2023 aufgezeichnet wurde: In der Schule über den Nahost-Konflikt reden – ein Gespräch mit Ruben Herzberg und Hédi Bouden (YouTube). Es gibt auch eine 14-minütige Kurzfassung des Gesprächs.


Wir wünschen Ihnen viel Kraft und gute Gespräche! Nutzen Sie die Möglichkeiten zum kollegialen Austausch, um sich selbst in dieser herausfordernden Situation professionalisieren zu können. 

Wir danken Ihnen für Ihren Einsatz! 

Veranstaltungen

Angebote für Lehrkräfte

Zurzeit bieten wir keine Veranstaltungen zu diesem Thema an. Sobald neue Angebote verfügbar sind, informieren wir an dieser Stelle.

Den Krieg besprechen

Zum „Nahostkonflikt“

Antisemitismus

Antimuslimischer Rassismus / Muslimfeindlichkeit

Geschichte: Hintergründe

Vermittlung von Gesprächen

Das Angebot „Miteinander reden …“ des Instituts für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation e. V. (ikm) schafft methodisch Anlässe, um im Klassenzusammenhang über das Thema Nahost-Konflikt zu sprechen. Dabei kommen jeweils zwei Moderatorinnen bzw. Moderatoren im multiperspektivischen Duo für einen Vormittag in die Klasse, die auch bei hoher Emotionalität einen achtsamen Gesprächsrahmen halten. Es werden die verschiedenen Hintergründe der Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte wertschätzend betrachtet. Gleichzeitig werden klare Grenzen gegenüber Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus gesetzt.

„Miteinander reden …“ ist kein Angebot, das einen historischen oder politischen Input zum Nahost-Konflikt liefert. Es werden keine bereits eskalierten Gewaltvorfälle bearbeitet. In einem telefonischen Vorgespräch wird die individuelle Situation in der Klasse beleuchtet, davon ausgehend das passende Duo ausgewählt und ggf. bei bereits stark eskalierten Fällen an geeignete Stellen verwiesen. Das Angebot soll deeskalierend wirken und einen moderierten Raum gestalten, um Ängsten oder Frustration zu begegnen und Ausgrenzung vorzubeugen. Das ikm arbeitet mit einem sehr diversen Team, das aus unterschiedlichen Zusammenhängen (theologisch, wissenschaftlich, lebensweltlich oder praktisch) mit der Moderation solcher Themen vertraut ist.
 
Kontakt: miteinander@ikm-hamburg.de
Kosten: 600 Euro für einen Schulvormittag und zwei Referierende (Teilförderung ggf. möglich)

Aus der Praxis

  • In der Schule über den Nahost-Konflikt reden – ein Gespräch mit Ruben Herzberg und Hédi Bouden (YouTube): Ruben Herzberg leitet seit 2019 gemeinsam mit seiner Frau Ingrid Herzberg die Redaktion der pädagogischen Fachzeitschrift „Hamburg macht Schule“. Er ist Jude, geboren 1951 in Haifa/Israel, seine Eltern waren dorthin aus Nazi-Deutschland geflohen. Hédi Bouden ist seit 2015 Lehrer und Kulturbeauftragter am Helmut-Schmidt-Gymnasium Hamburg-Wilhelmsburg und koordiniert u. a. die Schulpartnerschaft mit Yad Vashem.  Er ist Muslim, geboren 1983 in Hamburg, seine Eltern stammen aus Tunesien. Das Gespräch wurde am 1. November 2023 aufgezeichnet (Moderation: Nicole Mattern, Vorsitzende der Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm). Es gibt auch eine 14-minütige Kurzfassung des Gesprächs.
  • „Where does the hate come from“ ist ein bilaterales Kunst- und Theatergroßprojekt, an dem sich Jugendliche aus Hamburg-Wilhelmsburg mit gleichaltrigen jüdischen und arabischen Israelis aus Sderot und Rahat beteiligen. Im Fokus stehen die Narrative von 16 Wilhelmsburger Jugendlichen, die überwiegend einen Migrationshintergrund haben, und 16 jüdisch-israelischen Jugendlichen aus Sderot, die überwiegend Nachfahren von Shoa-Überlebenden sind, sowie 16 arabisch-israelischen Jugendlichen aus Rahat, die überwiegend einen beduinischen Hintergrund haben.
  • Kein deutscher Land19 Schülerinnen und Schüler des Helmut-Schmidt-Gymnasiums Hamburg widmeten sich in ihrem Theaterkurs den Themen Heimat und Identität. Auf der Basis von Umfragen an ihrer Schule, die von vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund besucht wird, inszenierten sie ein provozierendes Theaterstück zum Thema Radikalismus und führten es auch in Israel auf.
  • Geschichtomat: Jüdische Geschichte vor der Haustür entdecken in Hamburg – partizipativ, multimedial, interkulturell.
  • Mehr als 2 Seiten: Comic zu einer Reise nach Israel und Palästina (Migration Lab Germany).

Unterstützung bei Sorge um Radikalisierung


Beratungsteam Menschen- und Demokratiefeindlichkeit am Landesinstitut
Tel.: (040) 42 88 42-560/-564
mara.sommerhoff@li.hamburg.de
christoph.berens@li.hamburg.de


Beratungsstelle Gewaltprävention
Beratung und Unterstützung bei allen Fragen um Gewalt und Konflikte an Hamburger Schulen, Casemanagement, Fortbildung für Lehrkräfte
(040) 428 63-7020
gewaltpraevention@bsb.hamburg.de